Biographischer Artikel
Am 3. Dezember 1983 bog Georges Christen in Luxemburg 250 eiserne
Nägel von 20 cm Länge und 7 mm Durchmesser in V-Form und
verblüffte damit ein ganzes Land.
250 Nägel sind für den 1962 geborenen Luxemburger längst
ein Kinderspiel und Handschuhe benutzt er seither schon lange nicht
mehr. Im Guinness Buch der Rekorde führt der starke Mann die
weltweite Rekordliste an.
1989 verbog er 368 dieser Nägel und überbot im selben Jahr
mit 120 Karten auch seinen eigenen Rekord im Zerreißen von Spielkarten.
Nur mit Kraft seiner Zähne hindert er ein Cessna-Sportflugzeug
am Start, zieht LKW's, Busse, Eisenbahnwaggons, Pferdegespanne, Schiffe
und er drehte auf der berühmten Luxemburger Schobermesse das
Riesenrad.
Georges Christen schlägt alle Rekorde und bleibt dennoch der
"nette junge Mann von nebenan", der sympathische Junge,
der zur gleichen Zeit ein 1.344 Seiten starkes Telefonbuch mit den
Händen und eine Stahlkette mit den Zähnen zerreißt...
Wie kommt man eigentlich dazu, Nägel zu verbiegen?
"Na ja, es begann halt wie vieles im Leben, man hat so eine Schnapsidee
und spinnt sie immer weiter," weiß Georges zu erzählen,
der schon als junger Teenager Nägel verbog, allerdings weitaus
kleinere.
Eines Tages sah er im französischen Fernsehen einen Mann, der
50 Zimmermannsnägel verbog und damit einen Rekord schlug. Für
Georges Christen war klar: "Das schaffe ich auch," und er
nahm sich vor, 75 dieser Eisenstifte zu verbiegen.
Flugs machte sich der junge Mann, der immer schon von ausgefallenen
Ideen begeistert war, an die Arbeit und trainierte hart, aber nicht
lange. Denn kurze Zeit nach dieser Sendung, die somit wohl der Ursprung
seiner Karriere war, trat Georges an, um seinen ersten Rekord aufzustellen.
Wie gesagt, es sollten 75 Nägel werden. Er schaffte 250 davon,
in knappen 73 Minuten.
Nägel, Kartenspiele, Telefonbücher...
1984 verbesserte er diesen Rekord in Österreich und verbog in
einer Stunde 269 Nägel. Und weil er gerade dabei war, verbesserte
er auch gleich den Rekord seines Landsmannes John Grün, der um
die Jahrhundertwende 104 Spielkarten, zwei vollständige Kartenspiele,
mit beiden Händen zerriß.
Georges legte noch zu jedem Spiel drei Joker hinzu und - zerriß
die 110 Spielkarten. Danach wagte er 1985 auf der Berliner Funkausstellung
115 Spielkarten und schaffte letztendlich 120 Karten, die im Londoner
Guinness-Museum zu besichtigen sind.
Wie kam er zu den Karten? Nun, er wollte es einfach wissen, es einmal
ausprobieren, kaufte sich ein handelsübliches Kartenspiel von
55 Karten und riß es beim ersten Versuch gleich mitten durch.
Danach versuchte er es mit 60, dann mit 70, mit 80, legte immer etwas
drauf und - hatte schließlich wieder gute Karten: Rekord geschafft,
das Land verblüfft, John Grün geschlagen.
Da mußte er sich wieder etwas Neues einfallen lassen, immerhin
kann er nicht auf ewig und bis in alle Zeit Nägel verbiegen und
Kartenspiele zerreißen. Spätestens beim zweiten Mal würde
das Publikum "müde" werden, und auf das Publikum mußte
Georges mittlerweile achten, hatte er doch kurzentschlossen sein Hobby
zum Beruf gemacht.
"Ob er davon leben könne," fragten sich seine mittlerweile
zahlreichen Fans besorgt, doch die sollten bald feststellen: Er konnte.
Denn jetzt wagte sich der "große Meister" an die Telefonbücher.
Tausende hat er seitdem in Fetzen gerissen und es scheint für
ihn überhaupt kein Problem zu sein, zehn oder noch mehr davon
hintereinander zu zerreißen. Und dickere? "Die gibt es
leider nicht," stellt Georges bedauernd fest, "da bliebe
nur noch der Larousse, und der ist wiederum zum Zerreißen zu
schade und auf die Dauer auch wohl zu teuer."
Der Eisenbahnwaggon...
Und weil er schließlich der Meinung war, daß auch das
Telefonbuch keine Besonderheit mehr darstellen würde, setzte
er noch eins drauf: Während er das 1.344 Seiten starke Telefonbuch
mitsamt seinem dicken Pappumschlag in zwei Hälften spaltete,
zerriß er gleichzeitig auch noch eine Stahlkette, die zwischen
Füßen und Zähnen eingespannt war. Die zusätzliche
Schwierigkeit dabei liegt darin, sich auf beide Dinge gleichzeitig
konzentrieren zu müssen, aber ein Profi ist eben ein Profi.
Natürlich kam es nun darauf an, im Gespräch zu bleiben.
Wer immer wieder auf Volksfesten, in Discotheken und bei der Ziehung
der Nationallotterie auftritt, muß dafür sorgen, daß
er in den Medien bleibt.
Also ließ er sich wieder etwas "Verrücktes" einfallen:
Am 18. August 1985 wollte er auf dem Luxemburger Bahnhof einen 20
t schweren Eisenbahnwaggon über eine Strecke von 100 m ziehen
- mit den Zähnen. Beim Probieren hatte Georges zwei Waggons aneinandergekoppelt
und es auf Anhieb geschafft, sie in Bewegung zu setzen. Wie es ausging?
Natürlich zog Georges den genau 20.360 kg schweren Waggon, aber
nicht 100 m wie versprochen, sondern gleich 200 m, in acht Etappen
zu jeweils 25 m, hin und her, ganz einfach um zu beweisen, daß
die Strecke nicht etwa abschüssig und die Sache damit leichter
für ihn war.
War das denn aber nicht zu riskant? "Wegen eines Rekordes würde
ich nie irgendwelche Verletzungen riskieren oder gar mein Leben aufs
Spiel setzen," versichert Georges, zwar habe er schon öfter
Verletzungen davongetragen, aber das waren alles Kleinigkeiten, die
nicht der Rede wert sind.
Wärmflaschen, Hufeisen und eine Cessna...
Als riskant betrachtet Georges allerdings das Aufblasen von Wärmflaschen
aus gehärtetem Gummi, die er so zum Platzen bringt. Ca. 40 Sekunden
und jede Menge Puste braucht er dafür und gefährlich ist
dabei, daß die Wärmflaschen über kein Rückschlagventil
verfügen. Georges muß also höllisch darauf aufpassen,
daß die komprimierte Luft, die einen Druck von bis zu 60 Atmosphären
erreicht, nicht zurückschlägt, da sie ihm sonst die Lunge
zerreißen könnte.
Aber Georges hat die Sache natürlich fest im Griff und das Publikum
voll in der Hand, denn die Gesichter der Zuschauer sind bei dieser
Kraftnummer mindestens genauso sehenswert, wie die Tat selbst. In
Erwartung des "großen Knalles" wird schon mal das
Atmen vergessen oder ein Bierglas fallengelassen.
Nägel, Karten, Telefonbücher, Ketten, Wärmflaschen?
Das Publikum ist verwöhnt. Das Fernsehen bietet täglich
tolle Action, die zwar meist nicht live ist, aber die Erwartungen
des Publikums immer höher schraubt. Also ist auch ein Georges
Christen gezwungen, immer weiter und immer höher zu kommen, immer
mehr zu schaffen und immer spektakulärer zu sein.
Und so trumpfte Georges im September 1987 mit einem weiteren "Gag"
auf und lenkte wieder einmal - wie schon beim Ziehen des Eisenbahnwaggons
- die Aufmerksamkeit der gesamten Welt auf sich: Ein 110 PS starkes
Cessna-Flugzeug hinderte Georges mit seinen Zähnen am Start,
obwohl der Pilot den Propeller auf vollen Touren laufen ließ.
Vorbei war die Zeit, wo er "nur" Nägel krümmte,
Hufeisen ein neues Styling verpaßte oder eine zwischen den Zähnen
gehaltene Eisenstange in U-Form verbog, wozu mal eben eine Kraftaufwendung
von minimal 300 kg nötig war.
Das Nagelbrett...
Was am schwersten war? "Ohne Zweifel das Zerreißen von
Karten," meint Georges, "hier hat man fast keine Angriffsfläche."
Zum Erlernen einer neuen Nummer braucht man vor allem Geschick und
Ausdauer, aber er schaffe es in relativ kurzer Zeit.
Er drückt mit bloßer Körperkraft ein Nagel durch ein
Markstück, er schlägt Eisenstangen mit der Handkante zu
einem "U", er bricht drei Zimmermannsnägel auf einmal
mit den Zähnen ab und - mußte sich natürlich wieder
etwas neues einfallen lassen: Er legte sich mit bloßem Oberkörper
auf ein Nagelbrett und ließ sich einen 210 kg schweren Granitblock
auf seiner Brust zertrümmern.
Aus Spaß hatte er mal auf einem Nagelbrett liegend die bekanntlich
nicht ganz leichten "Wildecker Herzbuben" (Gesamtgewicht
ca. 350 kg) auf sich schunkeln lassen und dabei "Herzilein"
gesungen.
Georges lernt jetzt auch erste Erfolge im Ausland kennen und tritt
unter anderem zum ersten Mal im japanischen Fernsehen auf. Und für
kurze Zeit gab es dann sogar mal einen Konkurrenten: Ein starker Mann
aus Hannover hatte 270 Nägel in einer Stunde verbogen und somit
den Guinness-Rekord von Georges um einen Nagel verbessert. Georges
sah diese Sache als "faire Herausforderung" und antwortete
1989 genauso fair: Mit 368 Nägeln in einer Stunde.
Im Zirkus Busch-Roland trägt Georges anläßlich einer
Jubiläumsveranstaltung einen Tisch durch die Manege, den er nur
hält, indem er mit den Zähnen in die Tischkante beißt.
Das alleine wäre sicherlich schon nicht schlecht, aber auf dem
Tisch saß auch noch eine junge Dame.
Er zieht mit den Zähnen einen 11,5 t schweren Autobus 50 m weit,
und hält ohne Pause eine selbstgebastelte Brücke in den
Zähnen, über die nacheinander 250 Personen laufen.
Drei Cessna und ein Riesenrad...
Und es ging weiter mit kuriosen Kraftakten: Mit beiden Armwinkeln
und den Zähnen hindert er dieses Mal gleich drei volltourige
Cessna-Flugzeuge am Start. 1991 zieht Georges ein 95 t schweres Schiff
93 m weit stromaufwärts über die Mosel.
Auf der Schobermesse kommt man in Bierlaune auf die Idee, daß
Georges doch einmal das Riesenrad mit den Zähnen drehen könnte.
Gesagt, getan. Allerdings wird man bei ersten Verhandlungen mit dem
Besitzer der 60 t schweren und 45 m hohen Stahlkonstruktion - milde
ausgedrückt - nicht ganz ernst genommen. Dafür staunte dieser
um so mehr, als Georges es letztendlich immerhin schaffte, das Rad
15 m weiter zu drehen.
Steigende Popularität...
16 Rekorde hat der junge Mann mittlerweile aufgestellt. Nun hebt er
ein 100 kg schweres Faß in sieben Minuten 120 Mal, zieht Wassersportler
mit Skiern über die Mosel, sitzt auf einer fahrenden Kutsche
und hält die Pferde mit den Zähnen, liegt mit 1001 kg (!)
belastet auf Glasscherben und zieht für die ZDF-Sendung "Zehn
oder Gehn" eine vollgeladene Grubenlore. Fernsehauftritte in
den Sendungen "DallAs", "ELF 99", "Hans Meiser"
oder "Arabella" förderten auch in Deutschland Georges
Popularität immer wieder und mittlerweile ist auch weltweit,
vornehmlich in Europa, Amerika und Asien, mit seinem Bühnenprogramm
"Powershow" ein immer wieder gern gesehener Gast; nicht
zueltzt wohl auch, weil er insbesondere auch bei Kindern immer wieder
auf euphorische Begeisterung stößt.
Im Übrigen spricht Georges fließend Englisch, Französisch,
Deutsch und natürlich Luxemburgisch, denn in seinem Heimatland
ist er zu einem nationalen Liebling heranngereift. Trägt er doch
den Namen Luxemburgs immer wieder weit in die Welt hinaus und immerhin
bestreitet er noch fast die Hälfte seiner jährlich weit
über 100 Auftritte in Luxemburg. "Rein theoretisch,"
so sagt er, "müßte jeder Luxemburger schon acht mal
meine Powershow gesehen haben." Eine Videocassette mit einer
Dokumentation über seinen Werdegang setzt er auf Anhieb 2.000
mal unter den gut 360.000 Einwohnern des Kleinstaates ab.
Ein strenger Vegetarier, der keine Anabolika kennt...
Wie aber geht es jetzt weiter? Georges hat noch viele Ideen. Dutzende.
Und niemand zweifelt wohl mehr daran, daß er sie alle in die
Tat umsetzen wird. Georges ist aber nicht nur wegen seiner Stärke,
sondern letztendlich auch durch sein sympathisches Wesen und durch
seine sprichwörtliche Bescheidenheit der Größte geworden.
Einen Menschen wie Georges findet man wohl nicht ein zweites mal auf
dieser Welt.
Aber macht es Georges immer noch Spaß? Und wie! Es war, ist
und bleibt sein Hobby und so fühlt er sich mit seinem ausgefallenen
Beruf verwachsen. Muskelaufbau hat er nie gemacht und von Body-Building
hält er nicht besonders viel. Anabolika, Proteine und Vitamine
nimmt er keine zu sich. Er ist seit 1986 Vegetarier und ernährt
sich somit nicht - wie oft vermutet - von zehn Steaks am Tag.
Kraftmesser außer Gefecht gesetzt...
Und was er alles erlebt hat? Viel selbstverständlich. Meistens
schöne Erinnerungen. Negative Anekdoten hat er kaum zu erzählen,
außer vielleicht den Boxball auf der Schobermesse, der da als
Kraftmesser aufgestellt war. Den hat er gleich mit dem ersten Schlag
außer Gefecht gesetzt. Und als er bei einer Ausstellung ein
Auto begutachten wollte, hatte er versehentlich die Stoßstange
abgerissen...